Radiogeschichte Österreichs
 

über die sendetechnische Entwicklung des Rundfunks in Österreich.




 

1924-2004 - 80 Jahre Radio in Österreich

 
Am 14. Juli 1924 strahlte ein schwacher Sender am Dach des großen Gebäudes des früheren Kriegsministeriums in Wien die erste reguläre Rundfunksendung in Österreich aus. Hier lesen Sie zusammengefasst, wie es dazu kam und wie sich der Rundfunk in sendetechnischer Hinsicht weiter entwickelte

Die Vorgeschichte:

Funkgeschichte Österreichs (1896-1924)
 
1924 - Österreich entdeckt das Radio
 
Kurze Rekapitulation des letzten Kapitels:
Zwischen Juli 1922 und April 1923 bewarben sich insgesamt 12 Betreibergesellschaften für eine Rundfunkkonzession in Österreich. Am 1. April 1923 begann die Firma Czeija & Nissl mit der Ausstrahlung von Unterhaltungssendungen über einen 100 Watt-Sender unter dem Titel "Radio Hekaphon". Diese Sendungen waren illegal, wurden aber geduldet. Mittlerweile entwickelten sich unter dem Druck des großen Erfolgs des neuen Mediums die Grundlagen für das spätere Rundfunkunternehmen.
 

Am 14. Juli 1924 wurde die RAVAG (Radio-Verkehrs-AG) offiziell gegründet, womit Wien den 18. Rundfunksender in Europa hatte. Man beabsichtigte, über einen alten Militärsender im Dachboden des Ministeriums am Stubenring im Zentrum Wiens zu senden. Die ersten Versuchssendungen im April und Mai 1924 brachten ernsthafte technische Probleme an den Tag. Überdies wurde der Sender auch für die Zivilluftfahrt genutzt, wodurch kein durchgehender Rundfunkbetrieb möglich war. Abwechselnd mit dem Versuchssender im Technischen Gewerbemuseum (Radio "Hekaphon") wurden jedoch über mehrere Stunden täglich Versuchssendungen ausgestrahlt.

Es musste daher vor der Aufnahme regulärer Sendungen bei Telefunken ein neuer 350-Watt-Sender für eine halbe Milliarde Kronen (Inflation!) bestellt werden. Während der Umbauarbeiten im Sommer 1924 kamen die Sendungen nur über den "Hekaphon"-Sender. Am 27. August 1924 ging der neue Sender im Heeresministerium in Betrieb.
 

 

<<< Die Sendeanlage am Dach des Heeresministerium am Stubenring in Wien war ein Relikt aus jener Zeit, als Österreich noch eine große Marine besaß.

Genaueres:

Schwere Geburt - Radio in Österreich 1921-1924
 
Am 7. September 1924, an dem die Wiener Herbstmesse eröffnet wurde, begann die RAVAG mit einem mehrstündigen täglichen Musik- und Vortragsprogramm. Am 1. Oktober 1924 nahm die RAVAG schließlich den regulären, täglichen Sendebetrieb auf "Welle 530" auf. Eigentlich waren es 531 m (= 565 kHz). Der Erfolg war sensationell. Trotz der geringen Sendeleistung von 350 Watt stieg die angemeldete Teilnehmerzahl innerhalb von nur 4 Monaten von 11.000 auf über 100.000 an. Wien gehörte damals allerdings mit beinahe 2 Millionen Einwohnern zu den 10 größten Städten der Welt. Im Weihnachtsgeschäft 1924 waren Kopfhörer der große Renner und wurden zur teuren Mangelware. Die Sendeleistung wurde auf 700 Watt verdoppelt und in Graz, der Heimatstadt des Radiochefs Oskar Czeija, wurden die Arbeiten zur Errichtung eines Senders aufgenommen, der am 30. März 1925 in Betrieb ging. Auch für Klagenfurt und Innsbruck wurden Sender bestellt.

1924 kann in ganz Europa das Geburtsjahr des Rundfunks angesehen werden. Innerhalb dieses Jahres stieg die Anzahl der Stationen von 17 auf 54.

Der neue Telefunken-Sender im Dachgeschoss des ehem. Kriegsministeriums am Stubenring in Wien leistete 350 Watt und wurde im Januar 1925 durch eine 2. Verstärkerröhre auf 700 Watt Sendeleistung gebracht.
Die neue Technik der drahtlosen Übertragung wurde ausgiebig genützt. Am 23. April 1925 gab es die erste drahtlose Fernreportage aus London.

Doch die Sendetechnik genügte den Ansprüchen bald nicht mehr. Bereits im Herbst 1924 gelangte man zur Auffassung, ehest möglich in Wien einen "Großsender" zu errichten. Schon am 11. März 1925 wurde bei "Telefunken" ein Sender mit 7 kW Telephonieleistung in Auftrag gegeben.

Nachdem ein zunächst in Betracht gezogener Standort etwa dort, wo

Der "Großsender" am Rosenhügel in Wien unweit des Schlosses Schönbrunn.
 

sich heute die UNO-City befindet, als zu stadtnahe befunden wurde, fiel die Standortentscheidung auf den Rosenhügel, einer Erhebung unweit des Schlosses Schönbrunn und des heutigen ORF-Zentrums.

Die Bauarbeiten begannen im Mai 1925. Die Dreieck-Flächenantenne war an 3 je 85 m hohe Sendemasten, aufgehängt. Da die Sendeanlage auf den Wasserbehälter der Wiener 1. Hochquellenwasserleitung gebaut wurde, konnte kein Erdnetz als Gegengewicht geschaffen werden. Man baute daher eine Gegengewichtsanlage in Form eines Drahtnetzes, was sich in der Folge offensichtlich als Fehlkonstruktion erwies.

Die offizielle Betriebsaufnahme erfolgte am 30. Jänner 1926 auf 565 kHz. Durch die offenbar falsch berechnete Gegengewichtsanlage waren in vielen Gebieten trotz der Verzehnfachung der Sendeleistung Empfangsverschlechterungen festzustellen. Ab der 2. Märzwoche 1926 wurde daher der Stubenringsender wieder eingeschaltet und übertrug parallel das Programm der RAVAG auf 515 kHz.
 

Der Sender Wien-Rosenhügel


Da eine gute Antenne für optimalen Empfang wichtig war, gab es oft Schwierigkeiten. Im Juni 1926 entschied der Oberste Gerichtshof, dass jeder Rundfunkteilnehmer das Recht auf Errichtung einer ordentlichen Antenne hätte.

1926 übersiedelte die RAVAG aus dem behelfsmäßigen Studio im Heeresministerium in die Johannesgasse, wo das erste Funkhaus entstand. 1935 wurde mit dem Bau des heutigen Funkhauses in der Argentinier Straße begonnen. Die RAVAG war inzwischen zu einem der größten Steuerträger Österreichs geworden.

Mit Inkrafttreten des Genfer Wellenplanes am 14. November 1926 änderte der Sender Rosenhügel die Frequenz auf 580 kHz, der Sender Stubenring auf 520 kHz.

Im Sommer 1927 begann man mit dem Umbau zur Verdoppelung der Sendeleistung am Rosenhügel, wobei auch die Gegengewichtsanlage optimiert wurde. Die Betriebsaufnahme der auf 14 kW verstärkten Anlage erfolgte am 8. Mai 1928. Danach konnte der Stubenringsender endgültig außer Dienst gestellt werden.

Zwischen 1926 und Sommer 1930 wurde auch versuchsweise ein Bildfunk gesendet. Dieser musste aber mangels Zuspruch eingestellt werden.

Mit Inkrafttreten des Brüsseler Wellenplanes am 13. Januar 1929 änderte der Sender Rosenhügel die Frequenz geringfügig auf 577 kHz, aber schon am 30. Juni 1929 ging man mit dem Prager Wellenplan wieder fast die Ursprungsfrequenz 581 kHz zurück.

Anfang 1929 wurde am Rosenhügel auch eine so genannte Kurzwellenbaracke errichtet. Mitte April 1929 begann man mit der versuchsweisen Ausstrahlung von Kurzwellensendungen mit 10 Watt.
 

Im Frühjahr 1928 wurde das Fernkabel Wien-Linz-Salzburg-Innsbruck fertig gestellt, womit die qualitativ einwandfreie Programmversorgung der neuen Sender in den Landeshauptstädten gewährleistet war. Schon mit Beginn 1927 konnten in Klagenfurt und Innsbruck Sender in Betrieb genommen werden, Linz folgte im Juni 1928 und Salzburg im Dezember 1930. Nur Vorarlberg musste noch bis 1934 auf einen eigenen Sender warten. Der Hauptgrund war neben dem Umstand, dass das Fernkabel aus Wien erst bis zum Bodensee verlängert werden musste, dass erst ab diesem Zeitpunkt eine höhere Sendeleistung verfügbar war, was für das Rheintal in Vorarlberg unabdingbar war.
Am 28. Mai 1933 nahm der Großsender Wien-Bisamberg mit 100 kW Sendeleistung den Betrieb auf. Die außer Betrieb gesetzte Anlage am Rosenhügel diente zur Erneuerung bzw. Verstärkung des Senders in Linz (Eröffnung 26. Juni 1936).
Maschinenraum mit den Dieselgeneratoren 2 x 500 PS und 1 x 400 PS Der Senderraum mit den Verstärkerstufen 3-7 und dem Zwischenkreis
Der Bisamberg-Sender hatte zuerst nur einen 130 m hohen Sendemast. Nicht einmal ein Jahr später wurde jedoch 110 m östlich ein ebenso hoher Reflektormast aufgestellt, da durch die Randlage Wiens die Verteilung der Sendeenergie ungünstig war. Das Prinzip einer Richtantenne mittels Reflektormast wurde hier erstmals in Europa angewandt.

Die beiden Sendemasten wurden so gebaut, dass eine Verlängerung bis 150 m problemlos möglich war, wenn es in Folge einer Frequenzänderung notwendig gewesen wäre. Der Sender Wien hatte jedoch das Glück, im Lauf seiner gesamten Geschichte immer die gleiche Frequenz benützen zu können. Nur durch Veränderungen im Kanalraster waren geringfügige Anpassungen notwendig. Die Schwankungsbreite betrug nur 566 bis 592 kHz.

Österreich verfügte seit 1929 über 2 Hauptwellen, die mit höherer Sendeleistung betrieben werden konnten. Die übrigen Sender mussten sich die Frequenz mit anderen Sendern teilen und durften vorerst nur eine Leistung von 500 Watt haben. Die Reichweite dieser Sender war auf etwa 10 km beschränkt, was die Standortsuche z.B. in Linz, aber vor allem in Vorarlberg erschwerte. Auch an den übrigen Standorten der schwachen Sender kamen zahlreiche Beschwerden wegen des schwachen Empfangs und der Störanfälligkeit des Signals.

Mit Inkrafttreten des Luzerner Wellenplanes 1934 erhielt Österreich eine dritte Hauptwelle (1294 kHz), die mit den Sendern Klagenfurt und Dornbirn belegt wurde, während der verstärkte Sender Linz gemeinsam mit Graz die 2. Hauptwelle (886 kHz) belegte. Die erste Hauptwelle (von Wien-Basamberg) wurde geringfügig von 580 kHz auf 592 kHz geändert. Außerdem durften die Nebenwellensender jetzt mit einer höheren Leistung betrieben werden.

Die Topografie von Österreich (2/3 Gebirge) und die meist schlechte Bodenleitfähigkeit machten die Rundfunkversorgung des Landes auf Mittelwelle zu einem permanenten Problem. Meist waren die zugeteilten Frequenzen zu hoch (dadurch geringere Reichweite der Bodenwelle) und die Sendeleistungen zu gering.
 

Die Fotos dieser Seite stammen aus der Zeitschrift "Radio Wien", Jahrgang 1934.

Rundfunk in Österreich nach 1939

ANMERKUNG:
Über die Rolle des Rundfunks in Gesellschaft, Kultur und Politik wurden schon viele Arbeiten verfasst. Die sendetechnische Seite wurde dabei nur am Rande betrachtet, obwohl gerade die drahtlose Verbreitung von Informationen das wesentliche Kriterium des Mediums darstellt und für an Technik interessierte noch immer eine große Faszination ausübt. Die Informationen auf diesen Seiten versuchen, aus verschiedenen Publikationen ein vollständigeres Gesamtbild der sendetechnischen Entwicklung des Rundfunks in Österreich zu entwickeln. Aus Mangel an Zeitzeugen (großteils nicht mehr am Leben) so wie Lücken und Widersprüchen in den Publikationen wird es wohl eine "Dauerbaustelle" werden. Für Hinweise bin ich daher dankbar.
E-Mail:
radiocom@A1.net

 
letzte Änderung: 13.10.2010

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