Es war einmal ...
 
Gedanken zu einer altmodischen Technik
und Rückblicke auf ein verschwindendes Hobby



Heute macht sich kaum jemand Gedanken darüber, wie und wo er ein bestimmtes Radioprogramm hören kann. Jederzeit sind eine Vielzahl an Programmen verfügbar, Empfangsprobleme treten selten auf - und wenn, gibt es Alternativen.

Die Radioskalen der Röhrenradios aus den 60er-Jahren waren schon europareif, bevor dieses Wort erfunden wurde.
In früheren Zeit war das anders. In der Urzeit des Radios mussten die Hörer halbe Rundfunktechniker sein. Der oft einzige Lokalsender lieferte endlos Stoff für Zeitungsberichte wegen Empfangsproblemen.
Dies besserte sich natürlich mit der Zeit, als die Sender verstärkt und die Geräte besser wurden. Doch immer wieder passierte es, dass das Radio nicht so sauber klang wie erwünscht. Meist wurde dann auf dem früher analogen Radio - mit einer schönen Skala, und ohne Suchlauf - herumgedreht, um vielleicht eine Alternative zu finden. Man fand meistens nicht das, was man wollte, doch die Mittelwelle - bis in die 70er-Jahre der wichtigste Wellenbereich - war abends und im Winter auch tagsüber voll mit ausländischen Sendern. Für viele Menschen war es eine wichtige Erfahrung, dass das Radio die Welt ins Wohnzimmer bringen kann.
Außerdem hatten früher die meisten Radios Kurzwelle. Und da es noch eine sehr begrenzte Programmauswahl gab, hörten nicht wenige junge Leute auf Kurzwelle "Radio Luxemburg". Dessen flottes Programm war früher der Zeit weit voraus und bot Quiz- und Talksendungen nonstop, gemischt mit den neuesten Hits. Dies war in dieses Zeiten außergewöhnlich, als in Österreich auf das Projekt eines Popmusikprogramms mit dem Namen "Musikbox" die Zeitungen von den Gefahren solcher "Musikboxereien" für die Jugend warnten. Daher war "Radio Luxemburg" einer der meistgehörten - vielleicht sogar der meistgehörte - Sender in deutscher Sprache. Wegen der Art des Programms wurde sogar die schlechte Qualität des Kurzwellenempfangs akzeptiert.
Der Mittelwellensender von "Radio Luxemburg" bei Marnach (im Norden des Großherzogtums gelegen). Tagsüber wurde von hier früher mit 1200 kW auf 1440 kHz das deutsche Programm gesendet, nachts das englische unter dem Titel "208 Power Play" (1992 eingestellt). Die 3 Maste sind je 110 m hoch.
Das es auf Kurzwelle neben "Radio Luxemburg" noch andere Stationen gab, die in Deutsch sendeten, war schon weniger Leuten geläufig. Bei mir gab es das "Aha-Erlebnis" im Alter von etwa 10 Jahren, als ich im Küchenradio neben Radio Luxemburg plötzlich "Radio Kanada International" in Deutsch hörte. Und diese hatten zufällig ein DX-Programm, also eine Sendung für Leute, die das Hören von Kurzwellensendern zum Hobby hatten. So erfuhr ich, dass auch Österreich ein Programm auf Kurzwelle ausstrahlte, sowie die meisten Staaten der Welt. Rund 30 Staaten sendeten auch deutsche Programme in die Welt, darunter Südafrika, dessen Sendungen zu den beliebtesten zählten. Das flott und aufwändig moderierte Programm trug ein sympathisches Image des Landes in die Welt hinaus, um so von den Ungerechtigkeiten der damals strikten Rassentrennung abzulenken.
Doch es gab auch Kurioses. Der "Sender Frieden und Fortschritt" aus der Sowjetunion versuchte ebenso wie "Radio Tirana" den Leuten den Marxismus mit unglaublicher Steifheit einzutrichtern (Hat jemand vielleicht noch einen Mitschnitt?). Radioprediger nach US-Vorbild versuchten - auch meist recht bieder - über Sender in Quito/Ecuador, Florida, Swaziland, Bonaire/Niederländische Antillen und Monte Carlo die Leute auf den rechten Weg zu bringen.
Sogar "Radio Afghanistan" hatte wochentags am Nachmittag eine halbstündige Sendung in Deutsch, die wegen ihren ungelenken Art höchst hörenswert war. Die Nachrichten bestanden zu zwei Dritteln daraus, zu berichten, was der damalige Präsident Mohammed Daud den ganzen Tag so alles trieb. Man fand als regelmäßiger Hörer z.B. auch schnell heraus, dass man bei "Radio Afghanistan" genau 3 Schallplatten mit deutschen Schlagern hatte.

QSL-Karte von Radio Afghanistan von 1977.
Nun erfuhr ich auch, dass man eine spezielle Karte - QSL-Karte genannt - bekommt, wenn man einem Sender schreibt, dass man ihn gehört hat. Ich weiß gar nicht, ob das heute auch noch verbreitet ist. Jedenfalls konnte das Sammeln dieser Bestätigungskarten zu einer Sucht werden. Je seltsamer - desto besser. Sonst kann man es einem vernünftig denkenden Menschen auch schwer erklären, warum man um 3 Uhr nachts aufsteht, um sich eine halbe Stunde lang im so genannten Tropenband (das ist der Wellenbereich zwischen 2,5 und 5,5 MHz) Rauschen und Zirpen anzuhören - denn der Sender, den man eigentlich hören wollte, war hinter dem Geräuschvorhang bestenfalls zu vermuten, zu verstehen war oft rein gar nichts!
Radiogrüße aus Südamerika
QSL-Karte von Radio Tachira (Venezuela; 4.820 kHz, 1982)

QSL-Karte von Radio Free Grenada (15.105 kHz, 1981)

QSL-Karte von Radio El Espectador (Uruguay; 11.835 kHz, 1982)
Diese seltsamen Leute nannten sich jedenfalls "DXer" (aus der Amateurfunk-Sprache DX für Distance). Man kann daher die Tätigkeit dieser Leute, das "DXen" mit Rundfunkfernempfang übersetzen, was natürlich ein zu langes Wort ist.
Gute 10 Jahre war ich also auch ein DXer, schrieb ein paar hundert Empfangsberichte, von denen glücklicherweise ein Großteil bestätigt wurden. Ich hatte auch ein Spezialgebiet, das Mittelwellen-DXen. Anfang der 1980er-Jahre gab es dafür sogar eine eigenen Verein in Deutschland, den "Mittelwellen-Spezialclub", der dafür auch eine Zeitschrift herausgab. Dieses Spezialgebiet war schon wirkliche etwas für hart gesottene Naturen, denn Mittelwellensender aus Übersee kann man fast nur in Winternächten hören, und dann nur bei ruhigem elektromagnetischem Feld. Wie das nun gerade war, konnte man damals im Voraus nur schwer erfahren - heute über das Internet kein Problem.
Was vor 30 Jahren als besonders interessant galt, habe ich mit ein paar Hörbeispielen dokumentiert. Das Alter der Mitschnitte zeigt, dass ich schon lange nicht mehr zu den "Wellenjägern" gehöre. Geblieben ist jedoch ein Interesse für alte Rundfunktechnik sowie eine gewisse Wehmut, denn Radiohören konnte früher sehr spannend sein.


WQXR war die Radiostation der "New York Times" und sendete nur klassische Musik ohne Werbung; hier die wahrscheinlich erste und einzige Empfangsbestätigung nach Österreich dieser heute nicht mehr bestehenden Station.

KGEI, eine religiöse Station aus Oakland mit Sender bei San Franzisko sendete auch in Deutsch (in den 80ern eingestellt)

QSL-Karte von Radio Neuseeland von 1984

KYOI sendete von der Marianeninsel Saipan aus amerikanische Popmusik mit japanischen Ansagen


angeblich die erste Empfangsbestätigung von Radio Clube de Ribeirao Preto/Brasilien nach Österreich.


Empfangsbestätigung von Radio Atlántida/Iquitos, Peru - mitten im Amazonas-Tiefland.

Radiogrüße aus Afrika
QSL-Karte von Radio Ghana
(4.915 kHz, 1980)

QSL-Karte von Capital Radio Transkei (ehem. quasi selbstständiges Homeland in Südafrika; 3.930 kHz, 1982)

QSL-Karte von Radio Mali
(4.835 kHz, 1981)

QSL-Karte von Radio Bujumbura
(Burundi; 3.300 kHz, 1981)

QSL-Karte von Radio Lama-Kara
(Nord-Togo; 3.222 kHz, 1982)
 
letzte Änderung: 19.05.2011

[nach oben]     [einmal zurück]     [Homepage]