AM-Radio in den USA mit Hörbeispielen


In der Anfangszeit des Radios benützte man die Mittelwelle, welche aber etlicher Unzulänglichkeiten (geringe Tonqualität, Störanfälligkeit des Signals, instabile Ausbreitungsbedingungen) aufweist. Der UKW-Rundfunk konnte diese Mängel beseitigen und setzte sich daher auch weitgehend durch. Während in Europa der Mittelwellenrundfunk als überholt gilt und daher im Verschwinden begriffen ist, fand man in den USA Nutzungsformen, bei denen die bekannten Mängel der Mittelwelle keine entscheidende Rolle spielen. In den USA besitzt daher der Mittelwellenrundfunk - dort AM-Radio genannt - eine noch bedeutende Rolle.

Von der Programmgestaltung in den USA kann man sich mittlerweile via Internet ein gutes Bild machen, nicht so aber von den realen Empfangsverhältnissen, welche im AM-Bereich bekanntlich gewisse Einschränkungen aufweisen. Nachfolgende Beispiele von AM-Stationen sollen auch verdeutlichen, wie sich die Situation in den USA diesbezüglich von Europa unterscheidet. Der AM-Rundfunk weist in den USA noch immer eine große Bedeutung auf. Es sind einerseits die alten und traditionsreichen Radiostationen in den Großstädten, und andererseits die vielen Lokalstationen, welche sich den Mittelwellenbereich in den USA teilen. Wegen der gegenüber UKW geringeren Tonqualität wird im AM-Rundfunk auf Wort-dominierte Sendeformate gesetzt, bei denen es nicht auf eine besonders gute Tonqualität ankommt.

Schon seit den 1930er-Jahren gibt es in den USA eine Leistungsbegrenzung auf Mittelwelle von 50 kW. Überdies wacht die US-Fernmeldebehörde FCC streng darüber, dass sich die Stationen gegenseitig möglichst wenig stören. Auf MW ist das allerdings mit vielen Kompromissen verbunden und funktioniert auch nicht immer reibungslos.


Werbung am Interstate-Highway 40B für die News-Talk-Station WSJS in Winston-Salem, NC (600 kHz, 5 kW; mit Relais WSML im 50 km östlich gelegenen Greensboro auf 1200 kHz, 10 kW).
 
Digitalrundfunk im AM-Band

Seit 2004 darf im AM-Band auch digital gesendet werden. Dabei bedient man sich dem DAB-IBOC-Standard (Digital Audio Broadcasting In Band On Channel), bei dem das digitale Signal in Form von erweiterten Seitenbändern dem bestehenden analogen AM-Signal beigefügt wird. Wegen der damit verbundenen größeren Bandbreite ergeben sich dadurch aber erhebliche Störungen der Nachbarkanäle, weswegen die digitalen Seitenbänder zunächst nachts abgeschaltet werden müssen. Anfang 2007 wurde diese Beschränkung allerdings aufgehoben.

Insgesamt dürften nur etwas mehr als 300 AM-Stationen jemals digital gesendet haben. Wegen der Störanfälligkeit des Mittelwellenbereichs und da neben der etwas besseren Tonqualität keine weiteren Vorteile damit verbunden waren, haben in der Folge die meisten Stationen die digitale Ausstrahlung wieder eingestellt. Im November 2018 waren noch 35 AM-Stationen mit IBOC-Signalen gelistet.

Nachfolgend ein Beispiel der Spanisch-sprachigen Station WGSP in Charlotte, NC auf 1310 kHz. Diese Station war 2006 die einzige im Raum Charlotte, die in AM-DAB-IBOC sendete.

WGSP 1290-1330 kHz: http://www.wabweb.net/radio/us_sounds/IBOC.mp3
Man hört 2 Sekunden 1290 kHz, 3 Sekunden 1300 kHz (Rauschen durch Digitalsignal), 10 Sekunden 1310 kHz (AM-Signal), 3 Sekunden 1320 kHz (Rauschen durch Digitalsignal), 2 Sekunden 1330 kHz. Der Sender arbeitet tagsüber mit 5 kW und war bei der Aufnahme knapp 7 km entfernt, also Ortssenderqualität. Anzumerken wäre noch, dass bei wenig trennscharfen Radios auch die übernächsten Kanäle noch mittelstark zugerauscht werden.

Zahlen & Travellers Information Stations

Anzahl der AM-Radiostationen je Leistungsklasse Anfang 2005.
Anfang 2005 gab es in den USA  6141 lizenzierte AM-Radio-
stationen, wovon 269 mit 50 kW senden durften. 1876 Stationen arbeiteten mit 1 kW. Die 5 kW-Stationen stellten mit 1171 auch noch einen größeren Anteil.

Etwa 650 AM-Stationen durften nur tagsüber senden, weitere ca. 2600 Stationen mussten nachts zur Vermeidung von Störungen anderer Stationen ihre Leistung herab setzen. Viele Stationen setzen auch z.T. aufwändige Richtantennen ein, um nachts einen Kompromiss zwischen maximaler Reichweite und minimaler Störwirkung zu erzielen.

Etwa 1400 Stationen hatten Leistungen unter 250 Watt, wovon jedoch 1370 "Travellers Information Stations“ mit in der Regel 10 Watt Leistung waren (grüner Balken links im Diagramm). Diese Stationen stehen in unmittelbarer Nähe der wichtigsten Autobahnen und

senden fast ausschließlich im Bereich von 1610 bis 1700 kHz sowie auf dem in den USA für konventionelle Rundfunkzwecke nicht genutzten Kanal 530 kHz am unteren Ende des AM-Bandes. Entlang der Autobahnen findet man dann auch die entsprechenden Hinweisschilder:


Hinweisschild zu einer
"Travellers Information Station“ (auch "Highway Advisory Radio" genannt) am Interstate 77 in South Carolina.

Wenn es keine Staus und Wetterkatastrophen gibt, läuft meist eine Schleife mit allgemeinen Hinweisen. Das hört sich dann so an (ca. 4 km Entfernung zum Sender): http://www.wabweb.net/radio/us_sounds/1610NCTraffic.mp3
Allerdings werden in letzter Zeit immer mehr dieser Sender still gelegt und statt dessen elektronische Anzeigetafeln zur Vermittlung von Verkehrsinformationen aufgestellt.

"Bandplan"
Beinahe alle alten traditionsreichen 50 kW-Stationen senden heute im News/Talk-Format. Die meisten haben bis heute einen "Clear Channels“, damit sie zumindest in einem größeren Teil der USA nachts weitgehend störungsfrei empfangen werden können. Doch nur 87 Radiostationen haben in den USA einen Clear-Channel-Status. Da im gesamten AM-Bereich nur 118 Kanäle zur Verfügung stehen, muss sich die große Mehrzahl der AM-Stationen einen Kanal mit zahlreichen anderen Radiostationen teilen, was nachts wegen Gleichkanalstörungen das Zielgebiet deutlich einschränkt bzw. Leistungsreduzierungen notwendig macht. Etwa 650 Stationen schalten nachts überhaupt ab. Die gesamte von allen AM-Radiostationen der USA abgestrahlte Leistung beträgt tagsüber rund 28.500 kW, während sie in der Nacht bei nur 11.500 kW liegt.

Die Verteilung der etwa 6200 (2005) US-Radiostationen im AM-Bereich: Im unteren Bereich bis 1220 kHz senden mehrheitlich relativ leistungsstarke Stationen, im Bereich 1230 bis 1490 kHz sind es vornehmlich Lokal- und Regionalstationen, wobei jene 6 Kanäle heraus stechen, die ausschließlich lokalen Stationen geringer Leistung vorbehalten sind (1230, 1240, 1340, 1400, 1450, 1490 kHz). Zwischen 1500 und 1600 kHz senden leistungsstärkere Stationen mit überregionaler Bedeutung. Der Bereich 1610 bis 1700 kHz wurde erst 1988 für den Rundfunk am amerikanischen Kontinent frei gegeben und wird heute von regionalen Rundfunkstationen und den Sendern des "Travellers Information Service" benützt, welche jedoch auch auf dem von Rundfunksendern freien Kanal 530 kHz am unteren Ende des AM-Bandes zu finden sind.
Lokalsender

Auf den stark mit Lokalstationen besetzten Kanälen zwischen 1230 bis 1500 kHz hört man nachts oft nur dieses undefinierbare Geräuschgemisch: http://www.wabweb.net/radio/us_sounds/Mixed1.mp3

In den ländlichen Gebieten hat nahezu jeder zentral gelegene Ort einen eigenen Lokalsender, der tagsüber meist mit 1 kW betrieben wird. Technische Ausstattung und Programmgestaltung dieser Stationen sind sehr bescheiden. Neben Lokalsendungen, die auch Werbespots für örtliche Unternehmen enthalten, besteht das Programm großteils aus Übernahmen fertiger Sendungen. Von den Werbeinnahmen können nur die wenigsten Lokalstationen leben, weswegen viele eine nicht unmittelbar kommerzielle Ausrichtung haben. Sehr viele dieser Lokalsender werden von Kirchen betrieben.

Die Doppelstadt Madison-Mayodan im nördlichen North Carolina nahe der Grenze zu Virginia bildet ein regionales Zentrum für etwa 15.000 Menschen. Die Gemeinden Madison und Mayoden selbst haben zusammen knapp 4.500 Einwohner. Die örtliche Radiostation WMYN auf 1420 kHz wird gemeinsam mit WLOE aus der etwa 25 km östlich gelegenen Stadt Eden auf 1490 kHz betrieben. Im Einzugsgebiet der beiden Stationen leben damit etwa 50.000 Menschen. Beide Station werden von örtlichen Baptistengemeinden betrieben. Dem entsprechend haben viele Programmteile religiöse Inhalte.

  >> Die in Madison gut hörbaren Radiostationen

WMYN sendet auf 1420 kHz  tagsüber mit 1 kW Leistung und ist damit in einem Umkreis von etwa 30 km um den Standort beim Städtchen Mayodan problemlos empfangbar. Nachts muss die Leistung auf 70 Watt verringert werden, wodurch die störungsfreie Reichweite auf nur etwa 4 km schrumpft. Das reicht gerade, um die zentralen Siedlungszonen von Madison und Mayodan zu versorgen. In 7 km Entfernung hört sich das Signal abends schon deutlich gestört an: http://www.wabweb.net/radio/us_sounds/Mixed2.mp3


Die Sendeanlage von WMYN auf einem Hügel bei Mayodan, NC ist sehr praktisch in einem Wohnhaus untergebracht. Der 36,6 m hohe Sendemast steht übrigens hinter dem Haus und nicht auf dem Schornstein, wie man aus dem Bild schließen könnte. Mich hat fast die Dunkelheit eingeholt, weil der Sender sehr versteckt im Wald liegt und ich die Zufahrt erst mühsam suchen musste.

 

"Prominente" Radiostationen mit Hörbeispielen

Durch die strengen Regelungen der US-Fernmeldebehörde FCC hinsichtlich Störungsvermeidung kann man in den USA nachts auf Mittelwelle zahlreiche weit entfernte Stationen nahezu störungsfrei empfangen. Da es sich vornehmlich um Radiostationen handelt, die Nachrichten senden, können sich Reisende auf diese einfache Weise über Ereignisse in der Heimatregion informieren.
Im Januar 2006 entstanden bei einem beruflichen Aufenthalt in North Carolina einige Mitschnitte. Empfangsort war ein Hotel – das einzige – in der Kleinstadt Madison nahe der Grenze von North Carolina zu Virginia (Empfänger: Sony ICF-SW100, Aufnahmegerät: Sharp MD-Recorder).

650 WSM Nashville, Tennessee
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 600 km
Die "Mutterstation“ der Country-Music. Von dieser Station kommt seit dem 28. November 1925 die längst laufende Radiosendung der Welt, die "Grand Ole Opry“.
Homepage: http://www.wsmonline.com

700 WLW Cincinnati, Ohio
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 500 km
Im Tri-State Area (Cincinnati, Ohio liegt im Grenzgebiet zu Indiana und Kentucky) die weitaus meist gehörte Radiostation. Bis heute lautet der Stationsspruch "The Big One“, was auch darauf hinweisen soll, dass WLW die einzige Station in den USA war, welche längere Zeit mit 500 kW senden durfte, und zwar von 1934 bis 1939. Die Station gehörte damals Powel Crosley, einem Industriellen, welcher 1942 auch die legendäre KW-Station in Bethany, Ohio (2 km westlich des MW-Senders gelegen) für die US-Regierung baute und bis 1963 betrieb. Bethany wurde dann von der "Voice of America" übernommen und 1994 still gelegt.
Homepage: http://www.700wlw.com

750 WSB Atlanta, Georgia
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 500 km
Die älteste Radiostation der Südstaaten (Sendebeginn 15. März 1922). WSB bedeutet "Welcome South, Brother“.
Homepage: http://wsbradio.com

770 WABC New York
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 700 km
WABC war als "Musicradio 77“ (Top-40 Format) von 1961 bis 1978 die meist gehörte Radiostation der USA. Durch den geänderten Musikgeschmack und den Aufstieg des qualitativ besseren FM-Rundfunks wechselte man nach einigen Jahren des Suchens 1982 schließlich zum Talk-Format.
Mehr zur Geschichte: http://www.musicradio77.com/index.html
Homepage: http://www.wabcradio.com

780 WBBM Chicago, Illinois
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 950 km
Die Nummer 2 der Radiostationen in Chicago.
Homepage: http://www.wbbm780.com

810 WGY Schenectady/Albany, New York
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 900 km
Die Station befindet sich am früheren (bis 1974) Hauptsitz der "General Electric Company", welche die Station 1922 auch gründete. Von 1924 bis 1942 war WGY ständiger Gast in Europa, da das Programm von General Electric via Kurzwelle verbreitet wurde (über die Kurzwellensender W2XAD mit 25 kW und W2XAF mit 40 kW). 1942 mussten die KW-Sender der Regierung für Programme der "Voice of America" zur Verfügung gestellt werden. Kommerzieller Kurzwellenrundfunk ist seither in den USA nie wieder erfolgreich betrieben worden.
Man war bei WGY immer technischer Vorreiter. 1928 strahlte man erstmals TV-Sendungen aus (allerdings nach einem später verworfenen, da qualitativ minderen Standard). Und als erste AM-Station sendet man seit dem 16. September 2004 auch digital im IBOC-Standard (allerdings nur tagsüber).
Homepage: http://www.wgy.com

870 WWL New Orleans, Louisiana
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 1200 km
Diese Station ist durch den Wirbelsturm "Kathrina" zu größeren Ehren gekommen.
Homepage: http://www.wwl.com

880 WCBS New York
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 750 km
Die Station brachte früher ein aufwändiges Programm aus Variety Shows, Konzerten, Soaps, Lokalnachrichten und Talk Shows, ehe man 1967 zum reinen News-Format wechselte.
Homepage: http://www.wcbs880.com

1010 WINS New York
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 700 km
Der “Erfinder” des News-Formats – seit 19. April 1965 – und die meist gehörte AM-Radiostation der USA.
Homepage: http://www.1010wins.com

1020 KDKA Pittsburgh, Pennsylvania
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 450 km
Die älteste Radiostation der Welt, ursprünglich – 1916 – von Technikern der "Westinghouse Electric Company" errichtet, um Sende- und Empfangsgeräte zu testen. Im Oktober 1920 erhielt man das Rufzeichen KDKA, heute eines von wenigen mit "K“ östlich des Mississippi. Am 3. November 1920 konnten anlässlich der Präsidentenwahlen die Vorteile des neuen Mediums eindrucksvoll gezeigt werden, womit der Rundfunk als Medium etabliert war und einen steilen Aufstieg nahm.
Homepage: http://kdka.com

1040 WHO Des Moines, Iowa
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 1300 km
Die einzige Radiostation der USA, die heute noch einen landesweiten Clear Channel besitzt.
Der frühere US-Präsident Ronald Reagan begann hier seine Berufslaufbahn als Sprecher (1934-37), ehe er nach Hollywood ging, um Schauspieler zu werden.
Homepage: http://www.whoradio.com

1110 WBT Charlotte, North Carolina
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 150 km
Etwa 150 km vom Empfangsort entfernt, ist die Station auch nachts ziemlich gut zu hören. Üblicherweise hat man in dieser Entfernung ärgere Probleme mit gegenseitigen Interferenzen von Boden- und Raumwelle.
Homepage: http://www.wbt.com


Die Sendeanlage von WBT südlich von Charlotte, NC mit ihren 3 je 130 m hohen Masten von Typ "Blaw-Knox" aus dem Jahre 1934 (linker Mast) bzw. 1945 (beide andere Masten; beide äußere Türme nach Zerstörung 1989 durch Hurricane Hugo rekonstruiert). Die "Blaw-Knox"- oder "Diamond"-Sendemasten wurden wegen ihrer günstigen statischen Eigenschaften (nur eine Abspannebene in etwa 1/3 der Höhe) in den 1930er-Jahren häufig gebaut. Weltweit gibt es noch 12 Stück, davon 3 in Charlotte.

1120 KMOX St. Louis, Missouri
Hörbeispiel [mp3] - Entfernung zum Empfangsort ca. 950 km
Die am Empfangsort beste "echte“ K-Station (westlich des Mississippi gelegen).
Homepage: http://kmox.com

 
letzte Änderung: 20.02.2018

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