Funkgeschichte Österreichs
 

Kurzgeschichte der Funktechnik und der Entstehung des Radios in Österreich




1908-1918 - Radiotelegrafie für den Krieg
 
Der in Österreich etwas später, dafür intensiver einsetzende Funktelegrafieverkehr erklärt sich vor allem in dem Umstand, dass man ab 1904 die Ausgaben zum Ausbau der Flotte - wozu auch die Radiotelegrafie gehörte - erheblich steigerte, um mit dem verfeindeten Italien gleichzuziehen.
Ab 1908 plante man 3 große Küstenfunkstellen in Pola (= Pula), Sebenico (= Šibenik) und Cattaro (= Kotor), die im Herbst 1912 fertiggestellt waren. Überdies plante man auch mehrere Großfunkstationen im Binnenland, deren Errichtung bis 1914 erfolgte.
 
Die landgebundenen Radiotelegrafiestationen in der kk. Monarchie bis 1915:
Standort Leistung/Typ Betriebsaufnahme
Wien-Kriegsministerium 1,5 kW Tönefunken; 4 kW Poulsen 1913/14
Wien-Laaerberg 20 kW Poulsen 1913; 1916 auf 40 kW
Sarajevo 20 kW Poulsen 1912/13
Trient 20 kW Poulsen 1913
Trebinje, Riva, Przemysl, Lemberg, Petervaradin je 4 kW Poulsen 1913
Krakau, Temesvar je 15 kW Poulsen nach Kriegsbeginn
Brusarci 20 kW Poulsen während des Krieges
Graz 20 kW Poulsen, Tönefunken nach Kriegsbeginn
 
In Österreich hatte Siemens & Halske fast ein Monopol bei der Herstellung der funktelegrafischen Ausrüstung von Heer und Marine. Bis zum Ende des 1. Weltkrieges wurden rund 850 Funkstationen produziert, fast alle von Siemens. Andere Firmen wie "Leopolder", "Kapsch" und die "Telephonfabriks AG vorm. Berliner" konnten nur unbedeutende Mengen an Geräten für die Radiotelegrafie herstellen.
 

Radiostationen im heutigen Staatsgebiet von Österreich
 
Wien-Laaerberg
1912 begann man mit dem Bau der zentralen Radiotelegrafiestation am Laaerberg an der südlichen Stadtgrenze Wiens. Diese Anlage sollte die Verbindung der Oberkommanden und Ministerien mit den Armee- und Marineeinheiten herstellen und erhielt einen 20 kW-Poulsen-Sender, der 1916 durch einen 40 kW-Poulsen-Sender ergänzt wurde. Da hier viele Geräte erstmals zum Einsatz kamen, hatte der Betrieb oft Experimentiercharakter und war stets unbefriedigend. Bis Ende 1918 wurde die Station daher 2x umgebaut.

Quelle: Wikimedia Commons
 

Am 1. Februar 1919 nahm die Station nach der Betriebseinstellung mit Kriegsende mit dem 20 kW-Poulsen-Sender wieder für 6 Wochen den Betrieb auf. Die Anlage hatte beträchtliche Mängel vor allem baulicher Art und war daher nur als Ersatz für Deutsch-Altenburg vorgesehen. Die heute noch in weiten Teilen unveränderte Anlage dient seitdem aber nur mehr als Empfangsstation.


Die Radiostation am Laaerberg 2002: Ganz rechts zu sehen sind zwei Masten der ursprünglichen Antennenanlage, links das Stationsgebäude im weitgehend ursprünglichen Bauzustand. Auf dem Gelände befanden sich überdies mehrere Masten jüngeren Datums, zwischen denen Dipole für den Kurzwellenempfang gespannt waren.
 
Wien-Kriegsministerium
Am Dach des Kriegsministeriums im Zentrum Wiens wurde 1913 ein 1,5 kW-Telefunken-Sender installiert. Ein zweiter, 4 kW starker Poulsen-Sender war kurz nach Kriegsbeginn 1914 installiert worden, diente aber nur als "Besichtigungsobjekt".
Vom 25. November 1918 bis 1. Februar 1919 war der 1,5 kW-Telefunken-Sender im Heeresministerium der einzige betriebsbereite Telegrafiesender in Österreich. Er wurde 1923 für Sprachübertragungen umgebaut und diente bis zum Sommer 1924 als Rundfunksender, ehe er wegen unzureichender Übertragungsqualität durch einen moderneren Sender ausgetauscht werden musste.

Am Dach des ehemaligen Kriegsministeriums am Stubenring in Wien entstand schon 1913 eine Telegrafie-Versuchssendeanlage. 11 Jahre später befand sich hier auch der erste Rundfunksender Österreichs.
 
Großradiostation Deutsch-Altenburg
Schon Ende 1910 legte der Leiter der Marconi-Zentrale in Rom, Luigi Solari, dem kk. Handelsministerium in Wien ein Angebot für eine radiotelegrafische Station vor, um Österreich in ein weltumspannendes Netz des öffentlichen radiotelegrafischen Dienstes einzubinden. Ein entsprechendes Angebot ging auch an das Handelsministerium in Budapest. Eine Entscheidung konnte aber nur in Abstimmung mit dem Kriegsministerium getroffen werden, was aber in Anbetracht dessen Probleme mit der Marconi-Gesellschaft einer Ablehnung gleichkam.

Heute noch erhaltener Gedenkstein am Beginn der von russischen Kriegsgefangenen errichteten Zufahrtsstraße zur Radiostation Deutsch-Altenburg.
Als nach dem Kriegseintritt Italiens die Unterseekabel unterbrochen waren, galt es einen Ersatz dafür zu schaffen. Vor allem der Kontakt zum neutralen Spanien sollte wieder hergestellt werden. Zuerst wurde die 7,5 kW starke Marinestation in Pola (= Pula) für die Übermittlung amtlicher telegrafischer Mitteilungen verwendet. Kommerzielle Telegramme wurden über die Station des "Funken-Telegraphen-Inspektorates" (FTI) in Triest übermittelt. Da beide Stationen für die Marine notwendig waren, verursacht dies eine Einschränkung ihres ursprünglichen Zwecks. Als die Station Triest infolge des Krieges nach Laibach (= Ljubljana) verlegt werden musste, stand sie nur mehr der Marine zur Verfügung.

Trotz erheblicher Zweifel an der Wirtschaftlichkeit begann man 1915 mit den Planungen einer "ultrapotenten" Radio-Großstation, die den radiotelegrafischen Verkehr bis nach Nordamerika ermöglichen und dafür 200 kW Leistung haben sollte. Am 2. August 1915 fand dazu eine Vorbesprechung statt, in der die wirtschaftlichen Aspekte hinter die strategische Bedeutung traten. Überdies wurde die Absicht erklärt, nach Kriegsende den Betrieb durch die "Herstellung billiger Empfangsstationen in größeren Städten der Monarchie zur Aufnahme gewisser Presse- und kommerzieller Zirkularmitteilungen" rentabel zu machen.

Mitte November 1915 begannen die Bauarbeiten bei Deutsch-Altenburg bei Hainburg, etwa 40 km südöstlich von Wien. Um in kürzestmöglicher Zeit eine arbeitsfähige Station zur Verfügung zu haben, wurde zunächst die Errichtung eines provisorischen Senders mit 20 kW Leistung vereinbart. Der Sender konnte bereits am 17. Mai 1916 provisorisch in Betrieb genommen werden, während der erste 150 m hohe Mast am 17. Jänner 1917 aufgestellt wurde. Die Verhandlungen über die endgültige Anlage zogen sich allerdings infolge von Einsprüchen des Finanzministeriums bis Juni 1917 hin. Dadurch konnte die Station bis Kriegsende auch nicht mehr fertig gestellt werden.

Neben dem Gebäudekomplex befanden sich einst die Antennenanlagen. Heute ist davon nur das Abstimmgebäude für die große Langwellenantenne erhalten. Sämtliche Anlagenteile der Antennen wurden aber restlos abgebaut.
 
Die provisorische Betriebsaufnahme in Deutsch-Altenburg gestaltete sich aber auch außergewöhnlich schwierig. Neben technischen Problemen brachte die Frequenz von 30 kHz Probleme bei der spanischen Gegenstation. Erst am 7. Oktober 1916 wurde der reguläre Funkverkehr mit Spanien aufgenommen. Kurze Zeit später ergaben sich neue Probleme, sodass der Großteil des kommerziellen Telegrammverkehrs über die Station des Handelsministeriums bei Budapest und später auch wieder über die Station der Marine in Pola abgewickelt werden mussten. Über Deutsch-Altenburg wiederum wurde ab Anfang 1918 auch der Verkehr zu Stationen in Den Haag/Niederlande, Karlskrona/Schweden und Zarskoje Selo/Russland aufgenommen.

Teil der ehemaligen Stationsgebäude
 

Neben dem Komplex der ehemaligen Stationsgebäude ist innerhalb des Zaunes noch ein Betonfundament der Abspannung der Langwellenantenne erhalten geblieben.
Der Ausbau in Deutsch-Altenburg ging wegen der in den letzten beiden Kriegsjahren immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Situation sehr langsam vor sich. Die Betriebsmannschaft musste in primitiven Baracken leben. Ebenso war die technische Anlage in Baracken untergebracht. Während das Finanzministerium beim Neubau der Marinestation in Pola 1916 sehr großzügig war, war sie in Deutsch-Altenburg sehr geizig und verlangte ständig bauliche Abstriche. Im Winter 1917/18 konnte mit dem Bau der festen Gebäude begonnen werden. Bis August 1918 standen die Türme der endgültigen Antennenanlage. Der Sender und die maschinentechnischen Aggregate konnten November/Dezember 1918 - also genau zu Kriegsende - montiert werden.

Der Grund für die Verzögerungen war, dass der von Telefunken bestellte und von Siemens & Halske in Berlin gefertigte Sender einem Brand zum Opfer fiel und erneut hergestellt werden musste. Die Wohnbauten für das Personal wurden erst am 1. Dezember 1919 bezugsfertig. Am 6. Dezember 1919 begann schließlich die Überprüfung des 45 kW-Senders, welche allerdings erst im Juni 1920 erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Im Oktober 1920 erfolgte schließlich die definitive Übergabe der Anlage an die Telegrafenverwaltung. Dennoch war die Anlage höchst mangelhaft und in Teilen schon wieder veraltet. So war sie für den Schnellsendebetrieb ungeeignet, was eine rasche Amortisation verhinderte.
 

Die Radiostation Deutsch-Altenburg nach 1918
Nach dem 1. Weltkrieg diente die Sendestation dem kommerziellen Funkdienst Österreichs mit dem Ausland (Die zugehörige Empfangsstation befand sich am Laaerberg in Wien). Der Betrieb wurde anfänglich in stark eingeschränktem Maße von der Telegrafenverwaltung gestaltet. Am 18. September 1922 erhielt eine private Gesellschaft die Konzession zum Betrieb des kommerziellen Funkdienstes. Am 12. August 1923 erfolgte die offizielle Gründung der "Österreichischen Marconi A.G.", die aber schon am 18. Dezember 1923 in "Radio Austria A.G." umbenannt wurde und unter diesem Namen bis vor wenigen Jahren bestand. 55% dieser Gesellschaft befanden sich in englischem Besitz, weitere 30% hielt die österreichische Post- und Telegrafenverwaltung.  Am 14. Jänner 1924 nahm man den direkten radiotelegrafischen Verkehr mit Berlin und London auf. Die teilweise unfertigen und veralteten Anlagen wurden etwa 1925 erneuert. Auf Langwelle gelangten ein 25 kW- und ein 7 kW-Röhrensender zum Einsatz, auf Kurzwelle anfänglich ein 2,25 kW-Sender. Gleichzeitig erfolgte die Erbauung eines 100 m hohen, freitragenden Antennenturmes.
Auch in der NS-Zeit 1938 bis 1945 änderte sich am Telegrafiebetrieb nichts Grundsätzliches, außer dass die Gesellschaftsanteile der "Marconi Wireless Telegraph Comp." vom "Verwalter für das Feindvermögen" betreut wurden. Der Telegrafieverkehr sank aber im Volumen bis Kriegsende stark ab. Das Reichspostministerium beauftragte die "Radio Austria A.G.", den gesamten Telegrafieverkehr mit dem Balkan abzuwickeln. Im April 1945 wurden große Teile der Anlagen in Deutsch-Altenburg von den zurückweichenden deutschen Truppen gesprengt. Innerhalb weniger Monate konnte zwar einige Anlagen wieder betriebsbereit gemacht werden, doch es sollte bis zum 1. Februar 1946 dauern, ehe die russischen Besatzer erlaubten, dass der Telegrafiebetrieb mit London, Paris, Moskau und New York wieder aufgenommen werden konnte.
Die wegen der Beschädigungen schlechten Betriebsumstände konnten bis 1948 durch den Bau moderner Rhombusantennen verbessert werden. Man baute in den Betriebswerkstätten in Deutsch-Altenburg auch eigene Kurzwellensender. Man sendete 1948 mit 7 Kurzwellensendern, die mit 10 Gegenstationen in Kontakt standen. 1953 begann der Bau einer neuen Langwellenstation in Deutsch-Altenburg. Drei 100 m hohe Stahlgittermasten trugen die Antenne. Die Inbetriebnahme des Senders erfolgte am 6. Mai 1954. Bis 1. Dezember 1958 wurde der Betrieb mit 7 Gegenstationen aufgenommen. Im Herbst 1960 erfolgte schließlich der Baubeginn für eine neue Sendehalle.


Die Sendestation Bad Deutsch-Altenburg 1963
Quelle: Wikimedia Commons

In der 2. Hälfte der 1960er-Jahre wurde ein 30 kW-Kurzwellensender an den Österreichischen Rundfunk für ihre weltweiten Kurzwellenausstrahlungen vermietet, wobei vorwiegend nach Nordamerika und in den Vorderen Orient gesendet wurde.
In Folge des Durchbruchs der Satellitenkommunikation verlor der Lang- und Kurzwellendienst im Laufe der 1980er-Jahre seine Bedeutung, sodass letztlich die Auflassung der Anlage in Deutsch-Altenburg erfolgte. Die Antennenanlagen wurden völlig abgebaut und das Gelände rekultiviert. Die noch erhaltenen Gebäude dienen heute gewerblichen Zwecken (Werkstätten, Lagerräume).

 

Schwere Geburt - Radio in Österreich 1921-1924

letzte Änderung: 07.06.2012

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