Statistische Betrachtung der Entwicklung des Kurzwellenrundfunks


Der Kurzwellenrundfunk erfuhr erst durch den 2. Weltkrieg und den nachfolgenden Ost-West-Konflikt eine starke Aufwertung. Mit keinem anderen Medium konnte man zu jener Zeit derart tief in "Feindesland" eindringen. Den Höhepunkt der Bedeutung erreichte der Kurzwellenrundfunk in den 1970er-Jahren, als die zunehmende internationale wirtschaftliche Verflechtung der Welt ein verstärktes Interesse an Geschehnissen in fremden Ländern entstehen ließ; und die Kurzwelle war (noch) die einzige technische Möglichkeit, authentische Informationen in Istzeit zu übertragen. Dies hat sich heute grundlegend geändert. Internet und Satelliten-TV bieten vielfältigere Informationen und sind technisch zuverlässiger. In der Folge ist der Kurzwellenrundfunk auf dem Rückzug - vielleicht zu jenen Wurzeln in den 1920er-Jahren, als die Kurzwelle für spezielle Zwecke ohne Massenwirkung eingesetzt wurde.
Dazu: Der Beginn des Kurzwellenrundfunks
Nachfolgend einige Diagramme zur Veranschaulichung, wie sich der Kurzwellenrundfunk seit den Anfängen vor ca. 90 Jahren entwickelte. Die Basis der Untersuchung bildeten die Summen der Sendestunden, also jene Zeiten, in denen ein Signal auf einer Frequenz gesendet wurde. Berücksichtigt wurden nur offizielle Sendungen, also nicht jene, die zur Störung von Sendungen aus dem Ausland dienten. Als Datenquellen diente (ab 1950) das "World Radio TV Handbook", für den Zeitraum vor 1950 in Zeitschriften veröffentlichte Sendepläne.

Da der Kurzwellenrundfunk zwei sehr unterschiedliche Zielsetzungen verfolgte, wird auch in den Diagrammen zwischen den beiden Kategorien unterschieden:
1) Domestic: Sendungen, welche vornehmlich zur Versorgung großflächiger Staaten bzw. deren Umfeld (Nachbarländer) dienten.
2) International: Sendungen, die speziell für das Ausland bestimmt waren; entweder in Fremdsprachen oder in der/den Landessprache(n) zur Information von im Ausland befindlichen Bürgern.

Rundfunksendungen auf Kurzwelle hatten vor dem 2. Weltkrieg eher Versuchscharakter. Mit dem Krieg setzten Deutschland und Großbritannien, mit dem Kriegseintritt auch die USA, erstmals den Kurzwellenrundfunk in größerem Maßstab ein, um die Bevölkerung des Gegners zu erreichen.

Nach dem 2. Weltkrieg nahm der Kurzwellenrundfunk einen steilen Aufstieg. Eine hauptsächlich durch die begrenzte Kapazität (siehe weiter unten) bedingte Sättigung trat erst in den 1980er-Jahren ein. Gleichzeitig sorgten die Verbreitung des UKW-Rundfunks und die wachsende Konkurrenz des Fernsehens dafür, dass speziell die Ausstrahlung von Inlandsprogrammen aus Kurzwelle stark abzunehmen begann. Die Ausstrahlung von Auslandsprogrammen auf Kurzwellen nahm weltweit betrachtet aber weiter - wenn auch langsamer - zu, jedoch vornehmlich bedingt durch die Inbetriebnahme neuer Sendeanlagen.

In den 1950er-Jahren begann der Bedarf an Kurzwellenausstrahlungen die zur Verfügung stehende Kapazität zu übertreffen. Da damals auch zahlreiche andere Kommunikationsdienste die Kurzwelle benötigten, war eine Ausweitung der Kapazität durch Zuweisung zusätzlicher Rundfunkbänder nicht möglich. Eine Mehrfachnutzung von Frequenzen war notwendig, führte jedoch durch die stetig steigende Leistung der Sender und mangelnde internationale Koordination zu vielen gegenseitigen Störungen. Speziell in Europa, wo sich rund die Hälfte des internationalen Kurzwellenrundfunks abspielte, führte dies in den 1970er- und 1980er-Jahren zu unerträglichen Zuständen, welche noch dadurch verschärft wurden, dass die osteuropäischen Länder massiv Störsender einsetzten, um Sendungen aus dem Westen unhörbar zu machen. Im 31 m-Band z.B. waren zeitweise mehr als die Hälfte der Frequenzen mit den Geräuschen der Störsender zugedeckt und für den Rundfunkempfang unbrauchbar.
Das Problem der ohnehin begrenzten Kapazität der Kurzwellenbänder wurde dadurch weiter verschärft, dass der Bereich der mittleren Wellenlängen von 49 bis 19 m die besten Nutzungsmöglichkeiten bot, sodass sich dort die Nutzer - nicht nur des Rundfunks - drängten und zu einer Mehrfachbelegung der Frequenzen zwang. In diesem Bereich wurde überdies häufig auf Frequenzen außerhalb der Rundfunkbänder ausgewichen, womit andere Funddienste erheblich gestört wurden.

Die oberen Kurzwellenbänder (16 bis 11 m) wurden seit jeher viel weniger genutzt, da sie wegen der ständigen Änderungen der Ausbreitungsbedingungen die meiste Zeit des Tages bzw. Jahres nicht zur Verfügung stehen. Die unteren Bänder (120 bis 60 m) waren mit Ausnahme des 75 m-Bandes nur in der tropischen Zone dem Rundfunk zugewiesen und wurden dort vornehmlich zur regionalen Rundfunkverbreitung benützt. Wegen der meist geringen Sendeleistung und ungerichteter Abstrahlung bereitete die Mehrfachbelegung z.B. im 60 m-Band außer in Südamerika, wo sich bis zu 5 Stationen eine Frequenz teilen mussten, kaum Probleme. Auch hier wichen viele Stationen auf Frequenzen außerhalb des überbelegten 60 m-Bandes aus.

Speziell in Südamerika war es bis in die 1990er-Jahre bei vielen Radiostationen üblich, einen Kurzwellensender parallel zur Mittelwellenausstrahlung zu benützen, um so die Reichweite bis in die weiten wenig erschlossenen Gebiete zu erhöhen. Dies ergab 1981 eine enorme Summe von Kurzwellensendungen in Südamerika (rund 45% des weltweiten regionalen Rundfunks auf Kurzwelle). Mit der Erschließung bislang wenig bewohnter Gebiete und der Entstehung zahlreicher Lokalsender auf UKW dort wurden diese Kurzwellensendungen immer weniger gehört, was zu einem starken Rückgang führte. Eine ähnliche Entwicklung gab es Südostasien (speziell Indonesien) und Afrika, wobei hier die Anzahl der Stationen nie groß war, da es in den meisten Staaten Afrikas bis vor wenigen Jahren nur Staatsrundfunk gab. Gegenwärtig (2012) spielt der Kurzwellenrundfunk in der Versorgung des eigenen Landes nur mehr in Indien und einigen Ländern Ostasiens eine bedeutende Rolle.
Europa war bis 1989 Hauptschauplatz einer "Propagandaschlacht" als Teil des Kalten Krieges zwischen dem westlichen und dem kommunistischen Machtblock. Dies bewirkte mit rund 37% der weltweiten Sendestunden eine Dominanz Europas (mit UdSSR sogar 50%) im internationalen Kurzwellenrundfunk. Die Zunahme in Nordamerika ist ausschließlich den in den letzten 30 Jahren entstandenen kommerziellen religiösen Kurzwellenstationen zu verdanken, während die "Voice of America" und "Radio Canada International" ihre Kurzwellensendungen aus dem Mutterland inzwischen weitgehend einstellten. Die Zunahme der Kurzwellensendungen in Asien ist wiederum nicht so sehr einer Ausweitung der Programme als vielmehr auf den Bau neuer Sendeanlagen zurückzuführen.
 
letzte Änderung: 12.04.2012

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