Drei Wochen Genfer LW/MW-Konferenz


Das zähe Ringen um die technischen Parameter
Wiedergabe eines Berichts aus der "Funkschau" 25/1974, Seite 981/982

Am 25. Oktober 1974 ging in Genf nach dreiwöchiger Dauer die 1. Sitzungsperiode der LW- und MW-Konferenz zu Ende. Delegationen von 87 Mitgliedsstaaten der Internationalen Fernmeldeunion (UIT) aus den Regionen I und III (Europa/Afrika und Asien/Australien) waren nach Genf gekommen, um die Voraussetzungen einer Neuverteilung der Lang- und Mittelwellenbereiche zu diskutieren und die Parameter für die vom 6. Oktober bis 22. November 1975 stattfindende 2. Sitzungsperiode festzulegen. Sie soll dann über einen neuen Wellenplan entscheiden.

Bei den meisten afrikanischen und asiatischen Delegationen bestand offensichtlich von vornherein kein großes Bedürfnis nach einer grundlegenden Änderung der heutigen Situation im MW-Bereich. In den vergangenen Jahren hatten viele Funkverwaltungen, auch in Europa, hohe Summen in den technischen Neu- und Ausbau der MW-Sendeanlagen gesteckt und hofften nun zumindest auf den Erhalt des Status quo bei der Neuverteilung des LW- und MW-Netzes.

Die letzte regionale LW- und MW-Konferenz, die einen Wellenplan'für die europäische Rundfunkzone aufstellte, fand im Jahre 1948 in Kopenhagen statt. Sie verteilte Frequenzen für 600 Mittelwellensender mit einer Gesamtsendeleistung von 16.200 kW. Seither erhöhten sich die Bedürfnisse der Rundfunkwellen nutzenden Staaten in großem Ausmaß, so dass in der europäischen Rundfunkzone heute 1633 Sender mit insgesamt 70.395 kW in Betrieb sind.

Die jetzige Wellenkonferenz geht auf eine Initiative der 1966 tagenden afrikanischen LW/MW-Konferenz zurück. Wegen einer verbreiteten Unzufriedenheit vieler afrikanischer Staaten über die Beschränkung ihrer Sendetätigkeit im MW-Bereich durch einige europäische Wellenbesitzer (Abschirmung der Sender nach Norden, Leistungsbegrenzungen usw.) beschloss die afrikanische Wellenkonferenz in einer Resolution, dass so bald als möglich eine gemeinsame Konferenz der Fernmeldeverwaltungen Afrikas und Europas stattfinden sollte, um die Wellenpläne der europäisch-afrikanischen Region und des Nahen und Mittleren Ostens zu koordinieren. Die UIT begann kurz nach der afrikanischen Konferenz mit den Vorbereitungen und berief 1970 für den Oktober 1974 die 1. Sitzungsperiode der gemeinsamen Rundfunkkonferenz unter Hinzuziehung der mit betroffenen Region III (Asien und Australien) ein.

Auch die regionalen Rundfunkorganisationen, wie z. B. die (West-)Europäische Rundfunkunion (UER), bereiteten sich in ihren technischen Kommissionen seit längerem auf die Konferenz vor. In den UIT-Seminaren für die einzelnen Regionen propagierte die UER ihre Vorschläge und legte schließlich die von ihr ausgearbeiteten technischen Parameter als Doc. Tech. 3206-E der Wellenkonferenz vor.

Die technisch gut abgesicherten Untersuchungsergebnisse der UER, denen gelungen war, die Programmvielfalt durch eine Verkleinerung des Kanalrasters auf 8 kHz zu gewährleisten, ohne dass dies erheblich zulasten der Empfangsqualität geht, stießen damit bereits lange vor Konferenzbeginn auf den Widerstand der Staaten der Asian-Broadcasting-Union. Deren Mitglieder benötigen den Mittelwellenbereich aus ökonomischen Gründen für einen Qualitätsrundfunk mit 10 kHz Bandbreite und mindestens 40 dB Schutzabstand. Außerdem waren sie mit der gegenwärtigen Situation im MW-Bereich zufrieden und wünschen, ebenfalls aus finanziellen Gründen, keinerlei Frequenzänderungen.

Nutzung der Raumwellen

Die Fronten waren also von vornherein klar, als die Konferenz am 7. Oktober von ihrem Präsidenten, dem Schweizer Fritz Locher (PTT, Bern), eröffnet wurde. In den sofort gebildeten sieb Kommissionen begann ein zähes Ring um die gegebenen technischen Kriterien (Komm. 4) und die Planungsmethoden (Komm. 5) für eine neue Wellenordnung im MW- und LW-Bereich. Ober grundsätzliche Definitionen, wie Versorgungsgebiet (Service Area) und Reichweite (Coverage), wurde relativ schnell Einigung erzielt.

Es gab eine Reihe von Delegationen, die wiederholt auf die Bestimmung der Nr. 423 der Vollzugsordnung Funk glaubten hinweisen zu müssen, wonach „Rundfunkstationen, die Frequenz unter 5060 kHz oder über 41 MHz benützen, im Prinzip keine Sendestärke anwenden sollten, die über diejenige hinausgeht, die einen wirtschaftlich effektiven nationalen Dienst guter Qualität innerhalb der Grenzen des betreffenden Landes erlaubt".

Die Einhaltung dieser Bestimmung der V. O. Funk ist insofern schwierig, als es eine Reihe von Staaten gibt, die keine überregionale Versorgung auf der Mittelwelle anstreben, wofür sie sicher eine Anzahl von guten Gründen haben. Die Diskussion um eine planmäßige Nutzung der Raumwellen, die auch im obere Mittelwellenbereich nach Sonnenuntergang wirksam werden, gestaltete sich dementsprechend schwierig.

Einige Delegationen empfanden Raumwellenausstrahlung im MW-Bereich als Störstrahlung und wollten auf keine Fall einen Teil des oberen Mittelwellenbereichs für eine systematische Raumwellenversorgung freihalten, wie es die UER vorschlug. Die meisten Teilnehme benötigen jedoch eine Raumwellenversorgung und bestehen darauf, dass ihre bisher genutzten Raumwellen erhalten bleiben.

Damit war der Vorschlag der UER, das MW-Band in vier Kategorien einzuteilen, nicht mehr realisierbar und wurde im weiteren Verlauf der Konferenz auch nicht mehr diskutiert.

Die entscheidende Frage: Welcher Kanalraster?

Zur gleichen Zeit wurde in einer anderen Kommission die eigentlich entscheidende Frage des Kanalrasters (channel spacing) und der damit zusammenhängenden Hörfrequenz-Bandbreiten diskutiert. Hier schien eine Einigung lange Zeit überhaupt nicht möglich zu sein, so dass die Konferenz über dieser Streitfrage mehrmals zu scheitern drohte. Von Beginn der Konferenz an standen sich drei verschiedene Möglichkeiten gegenüber: der 8-kHz-Vorschlag der Delegationen aus den UER-Mitgliedsstaaten, der 9-kHz-Vorschlag der Sowjetunion und anderen OIRT-Staaten sowie vieler afrikanischer Staaten, und schließlich das Festhalten am bisher in Asien benutzten 10-kHz-Kanalraster, vorgeschlagen von den asiatischen Delegationen, insbesondere Japan, Indien, Indonesien und die Philippinen. Auch Australien und Neuseeland hatten sich auf 10 kHz, zumindest für ihren Bereich, festgelegt.

Bereits am 9. bzw. 11. Oktober war klar, dass die Mehrheit sich auf einen 9-kHz-Kanalraster einigen würde. An diesen Tagen legten nämlich die Organisation der arabischen Rundfunkunion (ASBU) und eine Gruppe von 26 Delegationen aus Afrika ihre Dokumente vor, die ein einheitliches 9-kHz-Raster für beide Regionen und einen Schutzabstand von 30 dB für die Bodenwellen- und 27 dB für die Raumwellenversorgung vorschlugen. Nachdem einige asiatische Delegationen bereits vorher gezeigt hatten, dass sie über 9 kHz mit sich reden lassen würden, nicht aber über einen 8-kHz-Raster, war es lediglich eine Zeitfrage, wann sich die Konferenz einigen werde. Im Interesse eines einheitlichen Kanalabstandes kam es am vorletzten Tag der Konferenz zu einer Einigung aller auf 9 kHz.

Weitere Beschlüsse der Konferenz

Ein weiterer Tagungsordnungspunkt war die Empfehlung, mehr und verbessert synchronisierte Netze im MW-Bereich zu nutzen. Ob und wieweit die einzelnen Länder davon Gebrauch machen werden und können, wird jedoch erst die 2. Sitzungsperiode zeigen. Die technischen Voraussetzungen dafür sind in CCIR-Voruntersuchungen gegeben.

Sehr interessante Vorschläge über bandbreitensparende Sendemethoden und höchst wirkungsvolle Antennensysteme wurden zwar kurz diskutiert, jedoch offensichtlich aus Kostengründen nicht weiter verfolgt. Die Nutzung von UKW ist für viele teilnehmende Delegationen ebenfalls keine Alternative für die nationale Rundfunkversorgung über Mittel- und Langwellen. Dafür wurde erneut die Bedeutung der Sender kleiner Leistung (bis l kW) im Schlussdokument hervorgehoben. Es sollten für sie besondere Kanäle reserviert werden.

Das Schlussdokument und die Resolution über den einheitlichen Kanalraster, die jetzt zunächst einmal den Regierungen der einzelnen beteiligten Staaten vorgelegt werden sollen, enthalten eine Fülle von weiteren technischen Details und Planungskriterien. Tabellarisch zusammengefasst, hat man sich während der 1. Sitzungsperiode auf die folgenden Kriterien der Planung geeinigt, die die Tabelle zeigt.

Außerdem hat man die Minimum-Feldstärken, die nötig sind, um einen genügenden Schutz gegen atmosphärische Störungen zu haben (ausgehend von der Frequenz l MHz), neu festgelegt. In der nördlichen, gemäßigten Zone (A), das sind Europa, der größte Teil Asiens und Nordafrika, werden 60 dB festgesetzt; in der Äquatorialzone (B) (Zentralafrika, Indochina u. Malaien, Indonesien und nördl. Australien) 70 dB, in der südlichen gemäßigten Zone (Südafrika, größter Teil von Australien und Neuseeland) 63 dB.

Konsequenzen und Folgen

Die 1. Sitzungsperiode der Konferenz schuf, und das wird von allen Delegierten begrüßt, einen einheitlichen Kanalraster für Europa, Afrika, Asien und Australien. Das wirkt sich zumindest in den Grenzgebieten zwischen den Regionen I und III, die bisher unterschiedliche Kanalraster besaßen, durch das Beseitigen von störenden Interferenztönen positiv aus. Es besteht darüber hinaus die Chance, die Empfänger einheitlich zu verbessern, da auch die Hörfrequenzbandbreiten vereinheitlicht wurden.

Andererseits stehen für den Hörfunk im MW-Bereich nur noch 120 Kanäle zur Verfügung - also in der Regel einer weniger als bisher. Ferner bestehen die afrikanischen und asiatischen Delegationen nach wie vor darauf, bisherigen Frequenzen nicht oder nach Möglichkeit nicht mehr als ± 5 kHz ändern. Die Konferenz stimmte diesem Wunsch der Entwicklungsländer zu, um ihnen zusätzliche Kosten zu ersparen

Die jetzige Empfehlung der Konferenz sieht vor, dass bei der Planung zunächst der der bisherigen Frequenz am nächsten liegende Kanal zugewiesen werden sollte. Der IFRB, der mit der Vorarbeit für die 2. Sitzungsperiode beauftragt wurde, hat die Aufgabe, die Frequenzanforderungen der einzelnen Länder ihre technischen Angaben hin zu überprüfen und den Verwaltungen eine komplette Liste aller Anmeldungen zum 1. Juni 1975 vorzulegen.

Grundlegende Planung für 1975

Im Schlussdokument werden Grundsätze der Planung eines neuen Wellenplans genannt, die über die Aufzählung rein technischer Parameter hinausgehen. Es heißt dort: Der Plan geht von dem Prinzip aus, „dass alle Länder große und kleine, die gleichen Rechte haben". Man solle auch „auf den Wünschen der betreffenden Verwaltung basieren" und „befriedigende Empfangsbedingungen für alle Menschen, die unter verschiedenen Bedingungen der Länder in den Regionen I und III Radio hören, und im besonderen die Bedürfnisse der Entwicklungsländer beruf sichtigen".

Im weiteren nennt das Schlussdokument die Grundlagen der Planung: möglichst wenig Änderung der bestehenden Frequenzen und u. a. die Empfehlung der Ultrakurzwellen als Alternative bestimmten Ländern, die die Voraussetzung dafür erfüllen. Die Konferenz appelliert an den guten Willen und die Verständigung untereinander bei den einzelnen Regierungen, „um das bestmögliche Resultat bei einer neuen Wellenplanung zu erzielen".

Obwohl die Konferenzteilnehmer diesen guten Willen gezeigt haben, steht doch verschiedene europäische Länder auf dem Standpunkt, dass eine Wirkung volle Planung mit einem 9-kHz-Raster in dieser Region kaum möglich sei dürfte, wenn sie auch dem 9-kHz-Plan prinzipiell zugestimmt haben. Deinen sprechend enthält die Resolution übe den Kanalabstand auch die Bemerkung, das die Hauptkonferenz unter Umständen gezwungen sein könnte, einen anderen Kanalabstand zu beschließen, wen sich eine Planung als unmöglich herausstellen sollte.

 
letzte Änderung: 28.12.2004

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