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"Europe 1" war eine kommerzielle, in französisch
aus Deutschland sendende Radiostation. Dass dies zu einer Zeit (1955)
möglich war, als in Deutschland an kommerziellen Rundfunk nicht zu denken
war, ist den besonderen politischen Umständen im Saarland der
Nachkriegszeit zuzuschreiben. Mehr dazu weiter unten. Die Langwellensendeanlage von "Europe 1" besaß die größte Antennenanlage für einen einzigen Rundfunksender in Deutschland, wenn nicht in ganz Europa. Sie stand am Felsberg etwa 8 km südwestlich von Saarlouis direkt an der französischen Grenze. Die Zufahrt erfolgte ab Saarlouis über die B269 zur Ortschaft Felsberg. Kurz nach Felsberg zweigte die B405 ab und nach 2 km führte die Kreisstraße nach Berus und Altvorweiler direkt durch die Sendeanlage (an Mast 3 vorbei). Die Antennenanlage bestand aus 4 abgespannten Gittermasten mit dreieckigem Querschnitt von 270, 276, 280 und 282 m Höhe, wodurch ein Antennengewinn von 5 dB erreicht werden konnte, was eine Strahlungsleistung Richtung Südosten von etwas 6000 kW ergab. Knapp südöstlich davon standen noch 2 kleinere abgespannte Gittermasten einer Reserveantenne. Das Programm von "Europe 1" wurde immer in Studios in Paris produziert. Die ersten Versuchsendungen erfolgten Ende 1954 auf 239,5 kHz und seit 01.04.1955 wurde auf 182 kHz regulär gesendet. |
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Die wegen ihrer Architektur schon unter Denkmalschutz gestellte Senderhalle besteht aus einer freitragende Spannbetonhalle mit geschwungenem Dach und verglasten Außenflächen und wurde 1952-1954 erbaut. Darin standen bei der Inbetriebnahme 2 Sender zu je 200 kW, die 1964 um einen 300 kW-Sender ergänzt wurden, womit die Gesamtleistung 700 kW betrug. 1975 wurde die Leistung der Sender verdoppelt: 2 x 400 und 1 x 600 kW; zusammengeschaltet ergab das 1400 kW. Seit 1976 wird schließlich mit 2000 kW (2 Einheiten zu je 1000 kW) gesendet. Über die Antenne wurde in Richtung 220 Grad (Südwesten) eine Strahlungsleistung von etwa 6000 kW erreicht und somit fast ganz Frankreich mit einer ausreichend hohen Feldstärke versorgt. | ||||
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Nach anfänglichen Problemen bei der Suche einer freien Frequenz - zunächst begann man auf 239,5 kHz zu senden - wurde ab 01.04.1955 auf 182 kHz gesendet. Schon ab 1959 traten Interferenzen mit dem Sender Oranienburg in der DDR auf 185 kHz auf. Anfang 1970 wechselte man daher auf 180 kHz. Erst 1975 erhielt die Station von der Internationalen Fernmeldebehörde eine offizielle Zulassung der Frequenz. Nach den Festlegungen des 1975 vereinbarten Genfer Wellenplanes sollten alle Stationen auf den Frequenzen im festgelegten Raster senden, womit 1978 auf die offizielle zugelassene Nominalfrequenz 182 kHz gewechselt wurde. Wegen der kräftigen Interferenzen mit dem nur 600 km entfernten Sender Zehlendorf-Oranienburg ("Stimme der DDR") änderten beide Stationen aber am 15. Dezember 1980 ihre Frequenz um jeweils 3 kHz: Zehlendorf-Oranienburg auf 179 kHz und "Europe 1" auf 185 kHz. |
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Am 8. August 2012 rissen 2 Pardunen
(Abspannseile) des 2. Mastes von Nordosten, wodurch das oberste Drittel des
Mastes abbrach und neben das Sendegebäude stürzte. In der Folge wurde das
Programm über die Reserveantenne gesendet. Am 13. Juni 2013 wurde
schließlich auch
der 1. - nordöstlichste - Mast gesprengt, womit ein effizienter Betrieb über
die beiden verbleibenden südwestlichen Masten ermöglicht wurde. Im Mai 2014 übernahm die RTL-Tochter BCE (Broadcasting Cénter Europe) die Anlage, um einen weiteren Betrieb zu gewährleisten. Dazu wurde neben der Reserveantenne ein einfacher Schuppen errichtet und mit 2 neuen Transistorsender zu je 750 kW ausgestattet. Die Verlagerung des Sendebetriebs zur neuen Anlage erfolgte am 19. Oktober 2015. Die beiden verbliebenen Masten der alten Hauptantennenanlage dienten nun als Reserveantenne, wobei die Anspeisung am nordöstlichen der beiden erfolgte. Die gesamte Anlage wurde aus Luxemburg ferngesteuert. Am 1. August 2016 ging das alte unter Denkmalschutz stehende Sendegebäude samt Sendetechnik und das Gelände in den Besitz der Gemeinde Überherrn über, die es um 120.000 Euro käuflich erworben hat und dort ein Technikmuseum mit Nutzung für Veranstaltungen einrichten möchte. Im Laufe des Jahres 2019 war jedoch nur mehr einer der beiden Sender in Betrieb, nachts mit halber Leistung (375 kW). Da nach einer mehrtägigen Abschaltung Anfang November 2019 kaum Hörerbeschwerden kamen, wurde vom Senderbetreiber der Schluss gezogen, dass der Langwellensender nur mehr wenig gehört wird. In Anbetracht der hohen Betriebskosten entschloss man sich daher, die Sendeanlage mit 31. Dezember 2019 endgültig abzuschalten. |
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Wie der erste kommerzielle Sender in Deutschland entstand |
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Das Saarland war nach dem 2. Weltkrieg ein
wirtschaftlich an Frankreich angegliedertes autonomes Gebiet. Nach langen
Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und der neu gegründeten
Bundesrepublik Deutschland einigten sich beide Staaten auf ein europäisches
Statut für das Saarland, das aber in einer Volksabstimmung vom 23. Oktober
1955 abgelehnt wurde. Mit dem Luxemburger Vertrag vom 27.10.1956 wurde dann
die Rückgliederung des Saarlandes an Deutschland vereinbart. Das saarländische Rundfunkgesetz von 1952 erlaubte dem Staat (in diesem Fall Frankreich, welches das Saarland in Fernmeldeangelegenheiten vertrat) als dem alleinigen Träger der Funkhoheit, im Saarland Sendeanlagen zu errichten und zu betreiben. "Europe 1" ist eine Folge von "Radio Saarbrücken". Dieser Sender war die Stimme des französischen Hochkommissars für das Saarland. Dessen Leitung beabsichtigte, im Saarland kommerzielles Fernsehen einzuführen. Zur finanziellen Absicherung des "Telesaar" genannten Fernsehprogramms sollte eine kommerzieller Radiosender vom Saarland nach Frankreich senden. Dafür wurde die Langwelle gewählt, weil damit ein großer Teil Frankreichs mit einem einzigen Sender erreicht werden konnte. Als bester Standort für die Sendeanlagen stellte sich der Felsberg bei Saarlouis heraus. Es sollte von hier aber auch ein französisches Fernsehprogramm unter dem Titel "Europe 1" ausgestrahlt werden. "Telesaar" sendete von einer Anlage auf dem Eschberg bei Saarbrücken (Kanal F7, Sendeleistung 100/30 Watt) vom 23.12.1954 bis zum 15.7.1958 ein eigenes Fernsehprogramm in der damaligen französischen Fernsehnorm (819 Zeilen gegenüber 625 Zeilen in Deutschland). Es war somit nicht möglich, mit dem selben TV-Gerät das deutsche Fernsehen und "Telesaar" zu empfangen. Dadurch und bedingt durch die begrenzten finanziellen Mittel blieb die Reichweite bescheiden. Zum geplanten französischen Fernsehprogramm "Europe 1" kam es auf Grund der geänderten politischen Verhältnisse Ende 1956 nicht mehr (ab 1. Januar 1957 deutsche Funkhoheit im Saarland). Als am 16.1.1958 auch über eine nicht konzessionierte Anlage am Felsberg Sendungen begannen, wurde der Sender am 25.1.1958 polizeilich geschlossen, das Antennenzuführkabel abgetrennt und versiegelt. Am 10.3.1958 verfügte der Bundespostminister die endgültige Schließung von "Telesaar" bis Mitte Juli 1958. Überlebt hat jedoch der Radiosender "Europe
1", der allerdings heute über ein umfangreiches UKW-Sendernetz in Frankreich
verfügt und somit als französischer Kommerzsender zu gelten hat, was er auf Grund der Herkunft der Geldgeber auch immer war. |
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Bilder der Anlage vom Oktober 2007 von Erhard
Pitzius (wohnt ca. 500 m vom Sender entfernt in Altforweiler im Saarland) |
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![]() Im Vordergrund der Grenzstein Deutschland/Frankreich von französischer Seite aus. |
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letzte Änderung: 25.12.2019 |
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